Beschluss des Landesvorstandes der ASJ vom 11. Juni 2020

Wehrhafte Demokratie gegen Verfassungsfeinde sichern – Verfassungsschutz erhalten!

Wir lehnen die Forderung, den Verfassungsschutz abzuschaffen, ab. 

Begründung: 

Die SPD hat in ihrer über 150jährigen Geschichte schmerzvoll erleben müssen, was es heißt, wenn Verfassungsfeinde die Macht im Staat ergreifen. Viele Genossinnen und Genossen sind aus politischen Gründen verhaftet, misshandelt oder ermordet worden. Wir vergessen sie nicht! 

Wir haben daraus gelernt. Eine wehrhafte Demokratie muss allen Versuchen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung mit Gewalt zu zerstören, frühzeitig und entschieden entgegentreten. 

Gerade jetzt, wo überall in Europa rechtsextremistische Parteien im Vormarsch sind, wo antisemitische und antiislamische Haltungen und Verschwörungstheorien in Berlin den Boden für politische Gewalt bereiten, in der die Zahl politisch motivierter Straftaten bis hin zu Mord zunimmt, brauchen wir mehr denn je die Aufklärung und Information der Ämter für Verfassungsschutz. Auch die Gefahr islamistischer Terroranschläge hat mit dem furchtbaren Anschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin als Höhepunkt einer Entwicklung gezeigt, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung wirksam geschützt werden muss. 

Es gibt keinen guten oder schlechten politischen oder religiösen Extremismus. Wir dürfen auch die Gefahren, die von linksextremistischen und gewaltbereiten Gruppen ausgehen, nicht ignorieren oder verharmlosen. Wer den Verfassungsschutz wegen der Überwachung von Rechtsextremisten kritisiert und gleichzeitig mit Linksextremismus sympathisiert, hat ein gestörtes Verhältnis zur Demokratie und zum Rechtsstaat. 

Dabei sind diese Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung keineswegs gleichzusetzen. Die sog. Hufeisentheorie, nach der Links- und Rechtsextremismus gleichgesetzt werden, ist genauso falsch wie die unreflektierte Kritik an diesem Dogma und die einseitige Fokussierung auf Rechtsextremismus. Wir brauchen einen pragmatischen und differenzierten Umgang mit unterschiedlichen Gefahren, um unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat zu schützen und zu stärken. Der Verfassungsschutz leistet hierfür einen wichtigen Beitrag und ist unverzichtbar. 

Wir wollen keine politische Polizei wie einst die Gestapo oder eine Rückkehr zum MfS, um politische Gegner zu überwachen und auszuschalten. Wir haben aus der Vergangenheit gelernt, dass das Trennungsgebot von Verfassungsschutz und Polizei und Transparenz für die demokratische Kontrolle notwendig sind. 

Der NSU – Terror hat aber auch gezeigt, dass der Verfassungsschutz schwerwiegende Versäumnisse hat entstehen lassen und dass eine strenge parlamentarische Kontrolle der Ämter für Verfassungsschutz erforderlich ist. Daher unterstützen wir die Forderung, dass der Verfassungsschutz die zunehmenden Gefahren durch Rechtsextremismus stärker in den Blick nimmt und begrüßen Reformen des Verfassungsschutzes, aus solchen Versäumnissen zu lernen und die Strukturen entsprechend anzupassen 

Zu einer freiheitlichen und offenen Gesellschaft gehört auch, dass sich der Verfassungsschutz, der in den gesetzlichen Grenzen tätig wird, öffentlicher Kritik stellen muss und einer parlamentarischen und gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Wenn Gruppen oder Teile im Verfassungsschutzbericht als extremistisch eingestuft werden, weil dem Verfassungsschutz hierüber Erkenntnisse vorliegen, gehört es zur freiheitlich-demokratischen Gesellschaft, dies öffentlich zu diskutieren und parlamentarisch sowie ggf. gerichtlich zu klären. Einen Maulkorb für den Verfassungsschutz, Kritik an einer Partei politisch nahestehenden Gruppierungen aufzunehmen, darf es in einer freiheitlichen Demokratie nicht geben! 

Es ist ein gefährlicher Irrweg, aus Anlass einer Kritik an einer einzelnen, umstrittenen Bewertung des Verfassungsschutzes die Abschaffung des Verfassungsschutzes zu fordern und damit die Strategie der AfD zu übernehmen.