Sehr geehrter Herr Minister Dr. Buschmann,
bei den aktuellen Überlegungen zur Verbraucherentlastung müssen die Mieter*innen besonders in den Blick genommen werden. Bereits jetzt zeichnen sich hohe Sprünge bei den Warmwasser- und Heizkosten ab, die die Zahlungskraft dieser Menschen in wenigen Monaten zusätzlich stark beeinträchtigen werden. In diesem Zusammenhang ist die sogenannte Zahlungsverzugskündigung eines der brisantesten wohnungspolitischen Problemfelder.
Mietschulden gezahlt – Wohnung trotzdem verloren. Das darf nicht sein!
Wenn Mietzahlungen von Mieter*innen (teilweise) ausbleiben, wird von Vermieterseite regelmäßig sowohl eine fristlose als auch hilfsweise eine fristgerechte Kündigung ausgesprochen.
Die bestehende gesetzliche Regelung gibt den Mieter*innen die Möglichkeit, innerhalb einer Schonfrist von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage den gesamten Mietrückstand auszugleichen und die fristlose Kündigung des Mietvertrages so unwirksam zu machen. Damit sollen die Mieter*innen trotz kurzzeitiger Zahlungsschwierigkeiten ihre Wohnung sichern können und gleichzeitig die Interessen der Vermieter*innen gewahrt werden.
Diese „Heilung“ wirkt sich nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nur auf die fristlose Kündigung aus. Eine zugleich hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung, die auf dem gleichen Zahlungsrückstand beruht, bleibt hingegen wirksam.
Besonders in angespannten Wohnungsmärkten wird häufig wegen höherer Wiedervermietungsmieten von Vermieter*innen jede Möglichkeit genutzt, den Mietvertrag zu kündigen. Hierdurch geraten Personen, die in Zahlungsschwierigkeiten sind, unter den enormen Druck drohender Wohnungslosigkeit.
Ein Mietrückstand kann aber auch die Folge berechtigter Streitigkeiten um Mietminderungen, Mieterhöhungen nach Modernisierung oder Nachzahlungen von Betriebskosten sein. Die Kündigungsdrohung verschiebt solche Konflikte einseitig zu Lasten der betroffenen Mieter*innen. Darüber hinaus hebelt diese Rechtslage die sozialrechtlichen Schutzvorschriften zur Verhinderung von Obdachlosigkeit aus. Denn Mieter*innen können von den Sozialleistungsbehörden die Übernahme ihrer Mietschulden nur verlangen, wenn dadurch Wohnungslosigkeit vermieden wird. Da die Nachzahlung eine fristgerechten Zahlungsverzugskündigung aber nicht heilen kann, verweigern die Sozialleistungsbehörden regelmäßig die Übernahme von Mietschulden.
Ein effektiver Kündigungsschutz ist dringend nötig
Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dieses Problem zu lösen. Durch Inflation und Energiekostenexplosion steigen die finanziellen Herausforderungen für Mieter*innen erheblich. Es wird vermehrt zu Mietrückständen kommen und betroffene Mieter*innen werden die dann drohenden Zahlungsverzugskündigungen nicht heilen können. Wenn dann aufgrund möglicherweise nur kurzfristiger finanzieller Engpässe das Mietverhältnis dauerhaft verloren ist, droht vielen Menschen die Wohnungslosigkeit. Das hätte ernste soziale Probleme für die ganze Gesellschaft zur Folge.
Handeln Sie schnell! Stellen Sie gesetzlich klar, dass sich die „Heilungswirkung“ bei Begleichung aller Mietschulden auch auf die ordentliche Kündigung erstreckt. Der vergangene Wahlkampf hat bewiesen, dass die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen und das Mietrecht zu den wichtigsten politischen Themen gehören. Die bereits vorliegenden Bundesratsinitiativen aus Hamburg, Brandenburg und Berlin könnten hierfür aufgegriffen werden.
Mit erwartungsvollen Grüßen
Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Berlin (u.a.)